Donnerstag, 25. Oktober 2012

Keine Posaunen vor Jericho?

Mit seinem Buch "Keine Posaunen vor Jericho" proklamierte der Israelische Archäologe Israel Finkelstein die Unverlässlichkeit der biblischen Berichte, wenn es um historische Fragen geht. Ausgehend von den Ergebnissen seiner Arbeit als Archäologe untergräbt Finkelstein der Glaubwürdigkeit der Bibel und scheint dabei zunächst gute Argumente vorzuweisen. Doch kann Finkelsteins Ansatz wirklich leisten was er verspricht? Das Ziel ist gesteckt: die Verlässlichkeit historischer Dokumente soll durch archäologische Funde bestätigt oder falsifiziert und gleichzeitig soll eine Geschichte Israels aus den Funden rekonstruiert werden.


Finkelsteins Ansatz soll am Beispiel der Stadt Jericho evaluiert werden. Bereits seit den 1950´er Jahren erreichte die Archäologie einen gewissen Konsens, dass zumindest in Jericho niemals stattgefunden haben kann, was die Bibel berichtet. Finkelstein bringt keine neuen Ergebnisse, er wiederholt lediglich die Aussage seiner Vorgänger. Doch wie kamen diese zu der Annahme, dass der biblische Bericht der Eroberunge Jerichos nicht zutreffen kann?

Seit den den Ausgrabungen der Archäologin Kathleen Kenyon in Jericho ist man durch die Ergebnisse ihrer Arbeit zu der Auffassung gekommen, dass Jericho im Jahr 1550 v.Chr. zerstört wurde und bis zum 11.Jh. v.Chr. größtenteils brach lag. Somit hätte es keine Stadt oder Mauern gegeben, die von den angreifenden Israeliten hätten zerstört werden können, da die Israelten entweder ca. 1450 v.Chr oder im 13. Jh.v.Chr. in das Land Kanaan gekommen sein müssen (Der erwähnte Pharao des Auszugs aus Ägypten regierte 40 Jahre lang, dies war jedoch nur bei zwei Pharaonen der Fall, so dass die Zeitpunkt des Auszugs aus Ägypten ziemlich genau datierbar ist und auf eines der beiden genannten Daten fallen muss). Folglich wäre Jericho nicht einmal besiedelt gewesen als die Israeliten kamen.

Diese Datierungen Kenyons wurden in jüngerer Zeit durch den Archäologen Wood stark kritisiert. Er wirft Kenyon vor, dass sich ihre Datierungen fast ausschließlich auf ein argumentum e silencio (Also ein Argument, dass davon lebt, dass etwas nicht vorhanden ist) stützen. Aufgrund des nicht Auffindens von Töpferware aus Zypern, welche für die späte Bronzezeit (1550-1200 v.Chr.) typisch waren, datierte Kenyon die von ihr freigelegten Teile der Siedlung nicht in diese späte Bronzezeit. Gleichzeitig hat Kenyon dabei nur einen vergleichsweise kleinen Teil der Siedlung ausgegraben (zwei 26 Fuß mal 26 Fuß große Felder). Wood selbst nennt allerdings vier positive Argumente, warum die Siedlung in der späten Bronzezeit (also die Zeit in der die Israeliten gekommen sein müssen) besiedelt gewesen sein muss:

A) Es finden sich einheimische Töpferwaren (Archäilogen nutzen Töpferein, um Datierungen anzustellen), welche auf die späte Bronzezeit datiert werden können. Gleichzeitig sollen bereits in einer früheren Grabung unter dem Archäologen Ernst Sellin bereits Töpferwaren aus Zypern gefunden worden sein.

B) Wäre die Stadt bereits 1550 zerstört worden, dann hätte die von Kenyon ausgegrabene Siedlung im Laufe von gerade einmal hundert Jahren nachweislich 20 verschiedende architektonische Phasen durchleben müssen (Der Baustil hätte sich in kürzester Zeit enorm gewandelt und die Menschen hätten im Schnitt alle fünf Jahre ihre Häuser niedergerissen und leicht verändert wieder aufgebaut).

C) In Gräbern gefundene Skarabäen (ägyptische Amulette, welche häufig eine Inschrift mit dem Namens eines Pharaos aufweisen) weisen auf eine kontinuierliche Nutzung des Friedhofs vom 18. bis zum 14. Jh.v.Chr.

D) Bei der C14 Untersuchung eines Stücks Kohle, welches wahrscheinlich auf die Zerstörung der Stadt zurückzuführen ist, wurde dieses auf das Jahr 1410 v.Chr. (plus oder minus 40 Jahre) datiert.

Stimmen diese Daten Woods, dann wäre die Datierung Kenyons hinfällig und eine Eroberung des bewohnten Jerichos durch das Volk Israel im 15.Jh. (oder 13.Jh) möglich gewesen.

Was zeigt dieses Beispiel nun? Archäologische Funde sind zunächst nicht eindeutig sondern bedürfen einer Interpretation. Kenyon interpretierte die von ihr ausgegrabenen Siedlungsteile vollkommen anders als Wood es tat. Archäologie ist somit nicht so objektiv wie Israel Finkelstein das gerne hätte.
Gleichzeitig kann es die Archäologie nicht leisten schriftliche Quellen, wie es das Alte Testament ist, zu widerlegen. Es ist ihr einfach nicht möglich, da man niemals "Alles" ausgraben kann. Die Funde sind nicht vollständig und die gemachten Funde bedürfen einer Interpretation.

Keine Posaunen vor Jericho! Ist somit eine sehr gewagte Aussage von Finkelstein.

Grüße, Gesellschaftsfähig.