Freitag, 15. Januar 2016

Partizipation im Neuen Testament und die Frage nach der Präsenz Christi im Abendmahl

Die wohl wichtigste ekklesiologische Debatte der Reformation war der Eucharistiestreit. Was ist das richtige Verständnis des Abendmahls? Während sich alle protestantischen Denominationen von Rom und der Transsubstantiationslehre trennten, war das Abendmahlsverständnis unter den Evangelischen alles andere als einheitlich. Im heutigen Evangelikalismus ist das Abendmahl kaum noch Gegenstand substantieller Debatten. Gerade in Deutschland haben sich wohl die meisten Christen zu einem mehr oder minder zwinglianischen Verständnis der Sakramente durchgerungen: Taufe und Abendmahl sind Symbole einer geistlichen Realität.

In seinem exzellenten Werk "Union with Christ" (Oxford University Press, 2013) greift der Neutestamentler Grant MacAskill nun genau dieses Thema der Sakramente im Kontext seiner Analyse der "Partizipation" im Neuen Testament auf. Obwohl die Sakramente nicht das hauptsächliche Thema des Buches sind, ist seine Abhandlung über ebendiese hilfreich genug, um sie hier zu thematisieren.

Kurz jedoch zum Hintergrund: seit Deissmann Ende des 19.Jh. seine Ausarbeitungen zur Mystik veröffentlichte, ist die Frage wie und warum Paulus davon ausgeht, dass Menschen in Kontakt mit Gott treten auf dem Schirm der modernen NT Wissenschaft gelandet. Durch die Arbeit Albert Schweitzers hat der Ausdruck der "Mystik" bei Paulus jedoch entschiedene Qualifikationen erfahren. Seitdem versucht man einen Begriff zu finden, um das zu umreißen, was in den "in Christus" Idiomen am deutlichsten hervortritt: Christen sind mit Christus verbunden. Im englischsprachigen Raum sind vor allem die Termini "Union with Christ" und "Participation" prominent geworden. Richtigerweise hat man sich darauf einigen können, dass Christen am Sterben und Auferstehen Christi teilhaben, dass sie an seiner Geschichte partizipieren.

Dieser Gedanke war auch den Reformatoren nicht fremd. Für Calvin war es gerade die Verbindung mit Christus, die es möglich macht, dass Christen Anteil an den am Kreuz erworbenen Güter erhalten können. Nach ihm ist es unmöglich diese Güter zu empfangen ohne Christus selbst empfangen zu haben.

Was hat das nun mit den Sakramenten zu tun? MacAskill behauptet, dass die Autoren des NT das Thema der "Union with Christ" bzw. der "Partizipation" vor allem in Kategorien des Bundes verstanden haben. Er notiert (S.1):

"The union between God and humans is covenantal, presented in terms of the formal union between God and Israel. The concept of covenant underlies a theology of representation, by which the story of one man (Jesus) is understood to be the story of his people. Their identification with him, their participation in his narrative, is realized by the indwelling Spirit, who constitutes the divine presence in their midst and is understood to be the eschatological gift of the new covenant."

Natürlich können in einer solchen Ausarbeitung über Partizipation die Sakramente nicht ausbleiben. MacAskill diskutiert daher auch den frühjüdischen Hintergrund des Passahmahls, (dass das letzte Abendmahl Jesu und seiner Jünger im Neuen Testament im Kontext des Passahmahls verstanden werden muss ist kaum bestreitbar) welcher das Element der "Korporalen Solidarität" beinhaltetet hat. Der "Becher der Segnung, den wir segnen" (1 Kor 10:16) wird allgemein als dritter Becher in der Reihe von vier Bechern während des traditionellen Seder am Passahfest verstanden. In der jüdischen Liturgie war dieser Becher, welcher als der "Becher des Neuen Bundes" im NT bezeichnet wird, auf besondere Weise mit Deut 26:5ff verbunden. Die Rolle dieses Bechers im Rahmen der Liturgie war das "mit hinein genommen sein" in die Ereignisse des Exodus. Den dritten Becher zu erheben war keine bloße Erinnerung an die Ereignisse des Auszugs aus Ägypten. In der Seder-Liturgie war jeder Israelit dazu gerufen sich selbst als einen derjenigen zu verstehen, die aus Ägypten ausgezogen sind. Die jeweils eigene Geschichte wurde ein Teil der Geschichte der Wüstengeneration. Das ist Partizipation in einer Narrative. 

Nach diesem Exkursus über den Hintergrund des Abendmahls im NT wendet sich MacAskill dem klassischen Locus der Abendmahlstheologie in 1 Kor 10,14-22 zu. Er zeigt auf, dass der engere Kontext dieses Abschnitts vom Thema Bund und Exodus bestimmt ist (1 Kor 10,1ff), während Partizipation an Christus ebenfalls ein Element darstellt. Das Volk trank und aß von Christus, die Ereignisse der Wüstenwanderung werden nicht nur bloße Vorschattungen der Elemente des Abendmahls. Auch hier kann die enge Identifikation mit der Exodusgeneration ohne bedenken aufgezeigt werden. Zusätzlich erklärt Paulus in 10,18-22, dass diejenigen, welche mit Christus genährt sind, nicht gleichzeitig mit dem Fleisch für die Götzenopfer gespeist werden können. Warum nicht? Weil sie durch das Essen des Abendmahls Anteil an Christus erhalten haben. Ihre Geschichte wird Christi Geschichte, sie partizipieren an Christus. Während die ersten Christen wie ihre jüdischen Zeitgenossen beim Erheben des Bechers der Segnung dazu gerufen waren die eigene Geschichte zum Teil einer anderen Geschichte werden zu lassen, unterscheiden sie sich darin, dass ihre Geschichte Christi Geschichte wird. Die Symbolik von Leib und Blut sind offensichtliche Anspielungen auf den Bundesschluss am Sinai in Ex 24. Im Abendmahl wird das dann mit der Sprache über den Neuen Bund verbunden, welcher am Kreuz erwirkt wurde. Während man im jüdischen Seder die Identifikation mit dem ersten Exodus suchte, besteht die Partizipation im Mahl des neuen Bundes in der Anteilnahme an der Geschichte des zweiten Exodus in Christus.

Das geht über eine bloße Symbolik hinaus und deutet in Richtung von Calvins Abendmahlstheologie. Die Speisung mit Christus, die Anteilnahme an seiner Geschichte, wird (wie oben aufgezeigt) im Zusammenhang des Bundes verstanden. In der paulinischen Theologie wird die Verbindung mit Christus zweifelsohne durch das Wirken des Geistes hergestellt (z.B. 1 Kor 3,16f; 1 Kor 6,15-19). Gleichzeitig ist der Geist das eschatologische Zeichen des Neuen Bundes. Im Abendmahl wird der Christ durch das Wirken des Geistes mit Christus verbunden. Somit wird man mit Christus gespeist und kann keinen Anteil mehr an den Götzen haben. Für Paulus ist das Essen des Abendmahls keine bloße Erinnerung. Es stiftet Gemeinschaft mit Christus durch die Präsenz des Geistes.

Abschließend bleibt mir nichts mehr zu sagen als dass MacAskills Buch sehr zu empfehlen ist.

MacAskill, Grant. Union with Christ. Oxford: Oxford University Press, 2013.

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